Die Existenzanalyse ist ein Verfahren zur Behandlung seelischer Belastungen und Störungen, welches der humanistisch-existenziellen Orientierung in der Psychotherapie zugeordnet wird.
In dieser Orientierung der Psychotherapie, zu der unter anderem auch die klientenzentrierte Psychotherapie und die Gestalttherapie gezählt werden, wird folgenden Bereichen besonders viel Bedeutung beigemessen:
personale Begegnung, Emotionalität, Authentizität (Echtheit), Förderung der Beziehungsfähigkeit, Empathie (Einfühlung), Wertschätzung, Verstehen, Freiheit, Verantwortung, Sinn.
Die Existenzanalyse wurde in den 1930-er Jahren vom Wiener Psychiater Viktor Emil Frankl (1905-1997) begründet. Ursprünglich konzipierte er seine „Logotherapie und Existenzanalyse“ als Ergänzung zu den beiden damals in Wien vorherrschenden Psychotherapiemethoden: Psychoanalyse und Individualpsychologie.
In diesen Ansätzen wurde der Mensch für Frankls Empfinden zu sehr durch sein Streben nach Lust bzw. Macht erklärt. Das empfand er als eine reduktionistische (verkürzte) Sichtweise, die dem Menschen in seiner Ganzheit nicht gerecht wird.
Frankl sah den Menschen als ein Wesen, das sehr wohl auch nach Lust und Macht, in letzter Konsequenz aber nach Sinn strebt. Außerdem betonte Frankl die Freiheit und Verantwortung des Menschen. Er sah den Menschen als den „vom Leben her Befragten“, der immer die Möglichkeit hat, zu den gegebenen Umständen Stellung zu beziehen – und sei der vorhandene Spielraum auch noch so klein.
Diese Sichtweise wird auch im folgenden Zitat deutlich:
„Der Mensch ist das Wesen, das immer entscheidet. Und was entscheidet es?
Was es im nächsten Augenblick sein wird.“
(Viktor Emil Frankl)
Die Überzeugung, dass zumindest ein Funken der menschlichen Freiheit auch bei bedrückendsten äußeren Bedingungen erhalten bleiben kann, hat Viktor Frankl eindrucksvoll demonstriert, als er als Jude mehrere Jahre in verschiedenen KZ´s verbrachte und dabei seine Frau, seine Eltern und seinen Bruder verlor.
Seine Erfahrungen verarbeitete er in dem Buch „…trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager”, das in über 20 Sprachen übersetzt und millionenfach verkauft wurde.
Die Begriffe „Logotherapie“ und „Existenzanalyse“ verwendete Viktor Frankl weitgehend synonym bzw. war für ihn die Existenzanalyse der philosophische Hintergrund und die Logotherapie dessen praktische Anwendung.
Seit den 1980-er Jahren wurde und wird die Existenzanalyse von dem Psychotherapeuten, Psychologen und Arzt Alfried Längle (* 1951), einem früheren Mitarbeiter Viktor Frankls, entscheidend weiterentwickelt.
In der Logotherapie hat Viktor Frankl das Streben nach Sinn als ursprüngliche und tiefste Motivation des Menschen angesehen. Das Streben nach Sinn galt als die Grundmotivation des Menschen schlechthin.
Alfried Längle stellte aber in der praktischen Arbeit mit Patienten und Patientinnen fest, dass es in der Behandlung nur bei wenigen psychisch kranken Menschen möglich ist, direkt am Sinn-Thema anzusetzen.
So ist zum Beispiel jemandem, der an einer schweren Depression leidet, in diesem Zustand der Sinn des Lebens wenig zugänglich. Hier sollte darum vielmehr daran angesetzt werden, dass diese Person den Wert des Lebens an sich und ihres Lebens im Besonderen überhaupt wieder fühlen kann.
Aus dieser persönlichen Erfahrung heraus entwickelte Längle die Existenzanalyse Frankls weiter und postulierte drei personale Grundmotivationen, die für ein erfülltes Leben zusätzlich zur vierten existenziellen Grundmotivation (Sinn) beachtet werden sollten.
Diese vier Grundmotivationen oder Bausteine der Existenz lassen sich als folgende vier Fragen formulieren:
- Ich bin – kann ich (so) sein? (Motivation zum physischen Überleben)
- Ich lebe – mag ich (so) leben? (Motivation der psychischen Lebenslust)
- Ich bin ich – darf ich (so) sein? (Motivation zur personalen Authentizität)
- Ich bin da – wofür soll ich da sein? (Motivation zum existentiellen Sinn)
Den Antworten auf diese Fragen bzw. den Voraussetzungen, um auf diese Fragen eine positive, persönlich stimmige Antwort geben zu können, wird in der Therapie gemeinsam nachgegangen.
Außerdem bekam in Längles Weiterentwicklung der Existenzanalyse unter der Bezeichnung Personale Existenzanalyse das Verstehen der eigenen Gefühlswelt und Lebensgeschichte ein höheres Gewicht.
In der weiterentwickelten Existenzanalyse nach Alfried Längle, wird „Logotherapie“ als eine Beratungsmethode speziell bei Sinnproblemen, Verlusten und Lebenskrisen definiert, während „Existenzanalyse“ der umfassendere Begriff ist, der die gesamte Psychotherapierichtung bezeichnet und dabei die Logotherapie (als Spezialgebiet) mit einschließt.
Als Ziel existenzanalytischer Behandlung betrachten wir ein Leben mit innerer Zustimmung und persönlicher Erfüllung.
Zustimmung entspricht in diesem Verständnis einem inneren „Ja“ zur Welt, zum Leben, zum Selbstsein (zur Person) und zum Sinn.
Anders formuliert geht es darum, dass ich so lebe und handle, wie es mir im tiefsten Inneren meines Wesens entspricht und so mein Leben in Freude, Freiheit und Verantwortung gestalten kann.